Manipulation mit Lebensmittel

So gepanscht ist Wein - und wir haben keine Ahnung davon

Wein ist laut EU-Gesetzgebung kein Lebensmittel, sondern Genussmittel. Deshalb darf es auch ohne die Kennzeichnung von Zusatzstoffen und technischen Hilfsmitteln auskommen. Heraus kommt ein industrielles Massenprodukt ohne Gesicht und ohne Seele.

Wissen wir eigentlich, was in dem Wein drin ist, den wir trinken?

Wein gilt beim Verbraucher als Naturprodukt. Was drin ist? Weintrauben und Alkohol (aus Weintrauben). Das vermuten wohl die meisten – beim "Billig-Wein" bleibt es aber selten dabei. Kennzeichnungspflichtig ist Schwefel ab einem Gehalt von zehn Milligramm, der konserviert den Wein und schützt ihn vor Oxidation. Außerdem muss man Hühnereiweiß und Milchprodukte kennzeichnen, wenn 25 Milligramm pro Liter nachweisbar sind. Das sind sie meist nicht, zumindest nicht in dieser Höhe.

Was das Huhn und die Milchprodukte im Wein zu suchen haben? Tierische Produkte werden zur Klärung eingesetzt und entfernen Trübstoffe. Die meisten wissen davon gar nichts. Auch nicht, dass zur Klärung nicht nur Hühnereiweiß, sondern auch Fisch verwendet wird. Oder dass Zucker zugefügt wird, um höhere Alkoholwerte zu erzielen. Geschweige denn von den gut fünfzig zugelassenen Zusatzstoffen, technischen Hilfsmitteln und Verfahren, die den billigsten Traubensaft zu Wein verwandeln können, der dann im Discounter oder Supermarkt in den Verkauf gelangt. All das muss nicht auf dem Etikett stehen. Warum nicht?

 

Kann man sagen, dass wir Wein trinken, aber keine Ahnung davon haben, was drin ist?

Als Verbraucher bleibt einem nur die Möglichkeit, die Inhaltsstoffe konzentrisch auszukreisen. Das gelingt, wenn man sich ansieht, worauf die verschiedenen Weinbauverbände verzichten. Von den Verbänden, zu denen Bioland, Ecocert oder Naturland zählen, ist der Demeter-Verband derjenige, mit den strengsten Auflagen. Zwar kann man als Verbraucher in der EU-Verordnung Nr. 606/2009 nachlesen, welche Hilfsmittel und technische Verfahren zulässig sind. Aber welche davon im Produkt angewandt wurden, bleibt im Einzelnen schleierhaft.

Was sind das denn für technische Hilfsmittel, die nicht deklariert werden müssen?

Nach deutschem Weingesetz darf Wein nur aus Weintrauben hergestellt werden. Es dürfen aber technische Hilfsmittel eingesetzt werden, die tierischen Ursprungs sind: beispielsweise von Rindern, Hühnern, Schweinen, Fischen sowie andere Zusatzstoffe wie Erbsproteine, Sojaproteine, Rübenzucker. Also eigentlich alles Dinge, die mit einer Weintraube gar nichts zu tun haben.

Was hat denn das Schwein oder Rind im Wein zu suchen?

Nach der Gärung wird der Wein geklärt, also alle Stoffwechselnebenprodukte der Gärung wie Trübstoffe entnommen – beispielsweise mit der sogenannten Kohlefilterung: Dazu kann beispielsweise Asche auf Rinder- oder Schweinebasis verwendet werden. Ansonsten kommen auch Milch- oder Hühnereiweiß und auch Eiweiße aus Erbsen oder Soja zur Mostklärung oder Schönung zum Einsatz. 

Streng genommen sollte man die Verwendung von Produkten tierischen Ursprungs aus Rücksicht auf Vegetarier, Veganer oder auch Allergiker kennzeichnen. Man kriegt diese Stoffe aber so gut raus, dass man die Produkte nicht mehr nachweisen kann. Das Problem haben die Allergiker.

Inwiefern, wenn nichts nachzuweisen ist, wird doch wohl nichts mehr drin sein, oder?

Auch wenn allergene Inhaltsstoffe entfernt wurden, ist eine allergische Reaktion nicht auszuschließen, da die Stoffe ja immerhin mal drin waren. Diese Weine können krasse allergische Reaktionen auslösen. Genau das gleiche gilt bei der Zitronensäure.

Aber das ist doch ein natürliches Produkt ...

An sich ja, aber die heute verwendete, industriell hergestellte Zitronensäure kann unter Verwendung von genetisch veränderten Organismen (GVO) hergestellt werden. Im Handel muss man per Zertifikat nachweisen, dass Zitronensäure NICHT unter Verwendung von GVOs hergestellt wurde. Verkehrte Welt ...

Wieso kommt Zitronensäure überhaupt zum Einsatz?

Zum Aufsäuren, wenn es ein warmer Jahrgang war und die Säurewerte sehr niedrig ausgefallen sind. War es ein kühles Jahr und die Säurewerte sind unangenehm hoch, kann man mit Zucker gegensteuern oder entsäuern.

Wenn der Verbraucher in den Supermarkt geht, was für einen Wein kauft er da eigentlich?

Im Supermarkt gibt es zwar Wein, aber meist als Massenprodukt – ohne Herkunft, ohne Heimat, ohne Gesicht und ohne Seele. Nur der kleinste Teil kommt vom Winzer: Bis zu 55 Prozent der Weine kommen von Großkellereien, gut 30 Prozent von Genossenschaften.

Viele der zugelassenen Behandlungen am Wein wären eigentlich nicht nötig, wenn man ihm gebührend Zeit geben würde. Aber die Industrie hat keine Zeit. Heraus kommt ein industrielles Massenprodukt, das zwar sensorisch verkehrsfähig ist, aber mit unserer romantischen Idee von einem handwerklich hergestellten Produkt nichts gemein hat.

Wenn Industrie-Weine kennzeichnungspflichtig wären, würden die Zusatzstoffe im "Billig-Wein" den Verbraucher abschrecken?

Als Verbraucher kann man sehr gut nachvollziehen, welcher Wein "gemacht" ist oder vom Winzer kommt. Die Großkellerei ist gekennzeichnet als Abfüllerware, beim Winzer steht Erzeugerabfüllung sowie eine Adresse darauf. Bei der Kellereiware ist meist nur der Abfüller notiert und eine amtliche Prüfnummer, die seine Verkehrstauglichkeit attestiert.

Trotzdem wäre eine Kennzeichnungspflicht der Hilfsmittel wünschenswert. Aber wie will man etwas nachweisen, dass mithilfe anderer Hilfsmittel wieder entfernt wurde? Es ist de facto ja gar nichts mehr da. 


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